24.02.10 17:00 Alter: 15 Monat(e)

Arbeitszeit: Wo liegen die Grenzen der Belastbarkeit?

Europa-Abgeordnete und die EU-Regierungen versuchen eine Einigung darüber zu erzielen, wie sich die maximale Wochenarbeitszeit gesetzlich regeln lässt und ob einzelne Länder Ausnahmeregeln in Anspruch nehmen können. Am Mittwoch stimmen die Europa-Abgeordneten darüber ab. Wir haben einige der Betroffenen befragt.

Hier das Ergebnis der nicht repräsentativen Umfrage:

Tine Berse (30), Presse-Assistentin aus Deutschland arbeitet 40 bis 45 Stunden pro Woche: „Ich denke, eine Arbeitszeit, die über 48 Stunden liegt, ist nicht gesund. Das Gesetz würde die Menschen schützen, die nicht mehr arbeiten möchten, um sich z.B. um ihre Familien zu kümmern. Das halte ich für sinnvoll. Eine Balance zwischen Arbeits- und Privatleben halte ich für sehr wichtig. Die EU würde durch eine rechtliche Regulierung das richtige Zeichen setzen.“

Ritva Nieminen (63) pensionierte Krankenschwester aus Finnland hat früher durchschnittlich 37,5 Wochenstunden gearbeitet. Sie ist der Meinung das Arbeitszeitobergrenzen notwendig sind. Beispielsweise seien Arbeitszeiten von mehr als 60 Stunden für jeden über der Belastungsgrenze, nicht nur in ihrem Beruf.

Artis Bandones (40), Friseur aus Lettland, arbeitet in seinem eigenen Salon rund 40 Stunden pro Woche: „Wenn ich überarbeitet bin, kann ich in meiner Arbeit nicht kreativ sein. Man braucht Geist und Seele, und die fehlen, wenn man ständig überarbeitet ist.“

Eine Frage des Gehalts

Grzegorz Gas (53) aus Polen leitet eine Auto-Zeitschrift und arbeitet 40 Stunden pro Woche: „Arbeitszeitbegrenzungen sind gut für reichere Lände, wo dies wirklich dem  Schutz der Arbeiter vor Ausbeutung und Unfällen dient. In den Ländern, die unter dem EU-Durchschnitt liegen und wo die Gehälter niedriger sind, werden die Leute immer zusätzliches Einkommen durch längere Arbeitszeiten anstreben. Um gerecht zu sein, müssten Arbeitszeitbeschränkungen daher durch Ausgleichsmaßnahmen begleitet sein, etwa eine Anhebung des Mindestlohnes.

Melita Koletnik Korošec (35) aus Slowenien hat drei Jobs; sie arbeitet 40 Stunden als Übersetzerin für das slowenische Parlament, circa 15 Stunden pro Woche lehrt sie an der Universität und außerdem für ihre eigene Firma (je nach Auftragslage): „Ich bin nicht der Meinung, dass Arbeitszeiten nach unten oder oben begrenzt werden sollten. Ich finde, die Arbeitszeiten sollten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Konsens vereinbart werden.“

Flexibilität notwendig

Peter Russell (52), Creative Director aus Schottland, arbeitet in Brüssel bei einer Werbe-Agentur, Wochenarbeitszeit 50-70 Stunden: „Im Prinzip bin ich für einen Schutz der Angestellten gegen Ausnutzung … aber ich stimme darin über ein, dass es einen Spielraum geben muss, um auch das Recht derjenigen zu respektieren, die länger arbeiten wollen." J

Justin Barter (32), Busfahrer aus Großbritannien: „Ich persönlich möchte die Freiheit solange zu arbeiten, wie ich will, obwohl ich verstehe, dass es für bestimmte Berufe Beschränkungen geben muss.

Carsten Ritter (37) aus Deutschland arbeitet als Chirurg in England, Wochenarbeitszeit ca. 70 Stunden. Er hält Arbeitszeitbegrenzungen für die „schlechteste Lösung für Ausbildung, Arbeitsqualität und den Geldbeutel der Betroffenen. Denn Übertretungen werden in freien Tagen abgegolten, die dann aber de facto nie genommen werden, weil es technisch nicht möglich ist. D.h. gleiche Arbeit für  weniger Geld“. Außerdem fürchtet er, dass  „fehlende ärztliche Arbeitskraft nicht adäquat ersetzt werden“ könnte und sich die Ausbildungsintensität verringern und die Ausbildungszeit von jungen Ärzten verlängern würde.

„Man kann nicht mit der Stechuhr arbeiten“

Ahto Lobjakas (38): freier Journalist, arbeitet zwischen 2 und 12 Stunden pro Tag: „So ziemlich jeder, den ich kenne macht Überstunden, wenn notwendig, einfach um seinen Job zu behalten und das kann nur schlimmer werden. In meinem Beruf kann man nicht nach Stechuhr arbeiten."

Carsten Ritter: „Ich mache oft OP’s die über fünf Stunden dauern. Da kann man noch nicht mal pinkeln. Insofern kann ich ja auch schlecht sagen: oh, Feierabend, ich geh dann mal"  


 

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