Während wenige Jugendliche auf institutioneller Ebene politisch mitwirken, belegen die Zahlen der jüngsten Eurobarometer-Umfrage unter europäischen Jugendlichen (aus dem Jahr 2007, s. Link zur Studie unten), dass ihnen Politik nicht egal ist: Über 80 Prozent von ihnen interessieren sich für die politische Lage ihres Heimatlandes und zwei Drittel sind interessiert am politischen Tagesgeschäft der EU.
Und: Vier Fünftel der europäischen Jugend sind überzeugt, dass sie politisch aktiver wären, würden sie vor wichtigen politischen Entscheidungen nach ihrer Meinung gefragt. Wird den Jugendlichen zu wenig Verantwortung übertragen?
Die Herabsetzung des Wahlalters als Lösung?
Seit 2007 ist Österreich das erste EU-Land, das Jugendlichen ab 16 das Wahlrecht auf Bundesebene gewährt. Die österreichische EU-Abgeordnete Karin Resetarits (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, ALDE) beschrieb den Wahlausgang der Nationalratswahl 2008 jedoch in der Anhörung als „Ohrfeige: Jeder zweite Jugendliche hat eine extrem rechte Partei gewählt.“
Die deutsche Sozialdemokratin Lissy Gröner stimmte zu: „Nur das Wahlalter abzusenken, reicht nicht aus. Es liegt nicht allein in der Hand der Eltern, Jugendliche anzusprechen: Viele extreme Parteien setzen ihren Kampagnen-Schwerpunkt auf Jugendliche.“
„Informiert die Jugend! Sie werden ihre Meinung kundtun.“
Pieter Lietaer, Mitarbeiter für internationale Jugendpolitik des Flämischen Jugendrats, unterstrich, die Jugend müsse umfassend informiert werden, um politisch engagiert zu sein: „Politiker müssen nicht immer mit jungen Menschen übereinstimmen – aber sie sollten verdeutlichen, wann das der Fall ist und wann nicht“. Lietaer gab die Losung aus: „Wer sich in die Lage der Jugend versetzt und sie ausreichend informiert, dem werden die Jugendlichen ihre Meinung kundtun.“
Tine Radinja, Vorsitzender des Europäischen Jugendforums, stimmte zu: „Wir müssen eine Kultur der Mitbestimmung erzeugen – doch nur ein gut informierter Jugendlicher kann ein aktiver Bürger sein.“
Politisches Engagement als Prozess
Jillian Turnhout, Mitarbeiterin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, betonte, dass zur politischen Mitbestimmung mehr gehöre als der Gang zur Wahlurne: „Es sollte nicht so sein, dass man 18 wird und plötzlich politisch mitbestimmen darf. Politisches Denken sollte vielmehr vom Kindesalter an gefördert werden“. Der Wahlgang, so Turnhout, solle nur die Spitze des politischen Interesses Jugendlicher darstellen: „Wollen wir Alibipolitik oder wirkliches Engagement?“, fragte Turnhout.
Funeriu: Fehlt den Jugendlichen der „Europäische Traum“?
Daniel Petru Funeriu, rumänischer EU-Abgeordneter (Europäische Volkspartei – Europäische Demokraten, EVP-ED), sieht grundlegendere Probleme: „Junge Menschen brauchen einen Traum. Sobald sie einen solchen Traum haben, wollen sie auch mitbestimmen. Doch welcher Jugendliche träumt den ‚europäischen Traum’? Vielleicht haben wir es systemisch versäumt, diesen Traum zu vermitteln.“
Mitbestimmung jugendlicher Bürger: Was unternimmt die EU?
Die EU-Jugendpolitik nimmt sich der politischen Mitbestimmung prozessual an und setzt auf „strukturierten Dialog“: Bei regelmäßigen Treffen zwischen Jugendlichen und EU-Politikern in ganz Europa werden zentrale Themen, die das Leben der jungen Europäer betreffen, diskutiert.
Mit dem Europäischen Pakt für die Jugend wurde zudem ein Programm geschaffen, das die Ausbildung, Mobilität und soziale Einbeziehung Jugendlicher verbessert.
Im Rahmen des Programms Jugend in Aktion veranstaltet die EU außerdem jährlich über 6.500 Projekte, an denen über 111.000 junge Europäer in 31 Ländern teilnehmen. Das Programm soll Bürgersinn und demokratisches Engagement unter jungen Menschen stärken und ihnen zu mehr Mobilität in Europa verhelfen. Prominentester Bestandteil ist die jährlich veranstaltete Europäische Jugendwoche in Brüssel (siehe Link unten).
Die Jugend hat das letzte Wort
Lissy Gröner: „Wir müssen die Zeit bis zu den Europawahlen nutzen, um in einen strukturierten Dialog einzutreten, der es jungen Menschen erlaubt, eine informierte Wahlentscheidung zu treffen.“
Christa Prets, österreichische Sozialdemokratin: „Die Informationen sind vorhanden, nun muss sich die Jugend auch damit auseinandersetzen. Diese Verantwortung, dass junge Menschen sich informieren und zur Wahl gehen, müssen wir einfordern.“