13.11.08 11:03 Alter: 16 Monat(e)

30 Jahre Europawahlen: Rückblick ins Zeitalter der getippten Resolutionen

Im kommenden Juni wird das Europäische Parlament zum siebten Mal direkt von den Bürgern Europas gewählt. Seit 1979 hat sich die europäische Volksvertretung von einem beratendem Organ mit sehr geringen Kompetenzen zu einem echten Gesetzgeber entwickelt. Wie haben Abgeordnete, die die Anfänge miterlebt haben, diesen Wandel erlebt? Und was erwarten sie für 2009? Wir haben einige „Veteranen" unter den jetzigen EU-Abgeordneten befragt.

1979, als die Abgeordneten erstmals von den Bürgern direkt gewählt wurden, und in den Jahren unmittelbar danach ging es laut dem CSU-Abgeordneten Ingo Friedrich vor allem darum, „für die Idee eines gemeinsamen Europas zu werben“. Heute „entscheiden wir in einer Bandbreite, die von kleinsten Details einzelner Richtlinien bis zu den großen Linien europäischer Politik im Konzert der Weltmächte reicht“, so Friedrich.
 
Entsprechend sei das Interesse der Medien heute viel größer und von den Abgeordneten werde „eine höhere Professionalität erwartet“. Friedrich stell außerdem fest, dass im Laufe der Jahre „die Kollegen in den nationalen und regionalen Parlamenten verstärkt die Zusammenarbeit“ mit Europa-Abgeordneten suchten, „da viele Probleme regional oder national nicht mehr lösbar sind“.
 
Elmar Brok (CDU), der 1980 ins Europäische Parlament einzog, sagt, die Wahlen von 1979 hätten noch eher an eine Übung in Sachen Demokratie erinnert. „Jetzt befasst sich das Europaparlament mit konkreten Fragen, beispielsweise mit dem Klimawandel und Sozialpolitik“.
 
Für den Briten Bill Newton Dunn (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, ALDE) sind die 30 Jahre ein Prozess, in dem ein ursprünglich nahezu machtloses Parlament sich nach und nach Einfluss erkämpft und in ein „sehr machtvolles Parlament“ verwandelt hat.
 
Stimme der Bürger hat mehr Gewicht als je zuvor
 
Heute verabschiedeten die Europa-Abgeordneten Gesetze, die „jede einzelne Person direkt betreffen, viel mehr als 1979, als das Parlament lediglich eine Meinung einbringen konnte“. Allerdings hinke das Wissen der Öffentlichkeit über das Europaparlament seiner Bedeutung hinterher.
 
Auch Elmar Brok sieht noch „viel Arbeit“, zu erklären, welche Einflussmöglichkeiten sich den EU-Abgeordneten heute tatsächlich bieten.
 
Ingo Friedrich berichtet jedoch auch, dass sich „heute sehr viel mehr Bürger mit ihren Problemen“ an die Abgeordneten wendeten, „weil wir durch unseren größeren Einfluss mehr Möglichkeiten bekommen haben, ihnen zu helfen“.
 
Bei den Wahlen 1979 hätten „die Wähler in den damals neun EU-Mitgliedstaaten über eine grundsätzliche Befürwortung oder Ablehnung der Europäischen Integration abgestimmt“.
 
Heute seien „an die Stelle von fernen Visionen konkrete Handlungsoptionen getreten“ und die „politischen Parteien haben greifbare Konzepte entwickelt und finden Antworten auf präzise Fragestellungen“, so Friedrich.
 
„Die Entscheidungen werden für den Bürger spürbar, deshalb ist es für ihn mittlerweile von existentieller Bedeutung, durch wen er sich im Europäischen Parlament vertreten lässt“, ist der bayerische Abgeordnete überzeugt.
 
Erinnerungen und Zukunftsaussichten
 
Bill Newton Dunn erinnert sich noch an die Frühzeiten als Europa-Abgeordneter: „1979 hatten wir keine Assistenten, keine Schreibmaschine oder Büros. Nichts.“ Vier Abgeordnete mussten sich damals eine Schreibmaschine teilen und diese im Voraus reservieren, so Dunn.
 
Für Elmar Brok gehört die Europawahl 1994 zu den bewegendsten Ereignissen seiner fast 30jährigen Zeit als Abgeordneter, damals wurden erstmals auch in Ostdeutschland Europa-Abgeordnete gewählt.
 
2009 werden aus Friedrichs Sicht die Themen Finanzmarktordnung, Klimawandel und Sicherheit eine herausragende Rolle spielen.
 
Newton Dunn erwartet eine noch zunehmende Rolle des Internets im Wahlkampf, nach amerikanischem Vorbild. Und „in zehn oder fünfzehn Jahren, hoffe ich, werden wir einen Präsidenten wählen“. Und in 30 Jahren „werden sich die Dinge“ abermals in aufregender Weise verändert haben, ist der Brite überzeugt.
 
Was 1979 sonst noch passiert ist: Im Januar wird der Schah von Persien gestürzt und im Februar kehrt Ayatollha Khomeini in den Iran zurück und setzt sich an die Spitze des Staates.
 
Im März ereignet sich im Atomkraftwerk Harrisburg in den USA der bis dahin schwerwiegendste Störfall in einem Kernkraftwerk. Im Mai wird Margaret Thatcher Premierministerin von Großbritannien und im Juni besucht Papst Johannes Paul II sein Heimatland Polen.
 
Im Juli bringt Sony seinen ersten Walkman auf den Markt. Im Dezember marschiert die Rote Arme marschiert in Afghanistan ein. In den Kinos haben u.a. die Filme Hair, Apocalypse now, Kramer gegen Kramer und Star Trek: der Film als Fortsetzung der Serie Raumschiff Enterprise Premiere.


 

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